Der Stoffwechsel: Der tägliche Energieverbrauch im Laufe des menschlichen Lebens

Eine neue, groß angelegte Studie stellt die konventionelle Auffassung über die Gewichtszunahme nach der ersten Hälfte des Lebens und im Laufe des Älterwerdens in Frage. Messungen des Gesamtenergieverbrauchs und des Basalenergieverbrauchs bei einer großen Gruppe von Studienteilnehmern unterschiedlichen Alters (0-99) dokumentieren deutliche Veränderungen, die im Laufe eines Menschenlebens auftreten. Die leitenden Forscher der Studie berichteten, dass der Energieverbrauch von Neugeborenen, dem von Erwachsenen glich, jedoch im ersten Lebensjahr erheblich anstieg. Danach nahm er allmählich ab, bis die jungen Menschen die Merkmale eines Erwachsenen erreichten, die im Alter von 20 bis 60 Jahren beibehalten wurden. Ältere Personen wiesen einen geringeren Energieaufwand auf. Der Stoffwechsel scheint also nicht konstant zu sein, sondern an kritischen Punkten Übergänge zu durchlaufen.

Man kennt die eher konventionelle Betrachtungsweise des Stoffwechsels: Mit zunehmendem Alter verändert sich der Stoffwechsel. In den Zwanzigern läuft der Stoffwechsel auf Hochtouren und verbrennt so viele Kalorien, dass man ohne große Folgen für das Gewicht essen kann, was man möchte. Dann kommt die Lebensmitte und/oder die Menopause, die den Energieverbrennungsmotor des menschlichen Körpers ausbremst und zu einer Gewichtszunahme führt.

Diese Annahme wurde nun im Rahmen einer neuen Studie hinterfragt. Die Ergebnisse zeigen, dass die Stoffwechselleistung im Alter von 60 Jahren beginnt abzunehmen – viel später als bisher angenommen. Was die Untersuchung so bahnbrechend macht, ist ihr Umfang. Sie analysierte Daten wie den Energieverbrauch von mehr als 6 400 Menschen aus 29 Ländern – von einwöchigen Neugeborenen bis zu Menschen in den 90ern. Um diese Informationen zu erfassen, verwendeten die Forscher die Methode mit doppelt markiertem Wasser, um festzustellen, wie viele Kalorien die Probanden täglich verbrannt haben. Bei dieser Methode, die als wissenschaftlicher Goldstandard gilt, wird Wasser getrunken, das chemisch so verändert wurde, dass die Wissenschaftler messen können, wie schnell die Moleküle durch den Verdauungstrakt gespült werden. Die Methode gibt es seit den 1980er Jahren, aber sie ist kompliziert und teuer, so dass die meisten früheren Studien – im Gegensatz zu dieser neuen – nur eine kleine Anzahl von Teilnehmern umfassten.

Darüber hinaus hat das internationale Forscherteam um Dr. Herman Pontzer, Professor für evolutionäre Anthropologie, nicht nur gemessen, wie viel Energie für die Ausführung grundlegender Körperfunktionen (Atmung, Wundheilung, Pumpen von Blut durch die Venen) verbraucht wird, sondern auch die Energie, die für alltägliche Aktivitäten wie Joggen, Zähneputzen und sogar Denken aufgewendet wird. Um die Auswirkungen von Alter und Geschlecht noch genauer zu untersuchen, wurden die Daten um die Körpergröße (eine kleinere Person verbrennt weniger Kalorien als eine größere) und die Körperzusammensetzung (Muskelgewebe verbrennt mehr Kalorien als Fett) bereinigt. Es gibt vier Stoffwechselphasen, die jedoch nicht unbedingt mit großen Meilensteinen unseres Lebens wie Pubertät, Schwangerschaft oder Menopause übereinstimmen.

Der Stoffwechsel erreicht seinen Höhepunkt viel früher – und verlangsamt sich erst viel später als bisher angenommen. Unter Berücksichtigung des Körperfett- und Muskelanteils war die Stoffwechselleistung von Frauen im Wesentlichen gleich der der Männer. Innerhalb der größeren bevölkerungsbasierten Trends variierten die individuellen Stoffwechselraten erheblich: Einige Probanden hatten Werte, die 25 Prozent über dem Durchschnitt ihres Alters lagen, während andere Werte 25 Prozent unter dem Durchschnitt lagen.

Darüber hinaus konnten weitere interessante Erkenntnisse gewonnen werden. Nach der Geburt eines Kindes zum Beispiel, spiegelt sein Stoffwechsel den der Mutter wider. Etwa einen Monat nach der Geburt beginnt sich der Stoffwechsel des Neugeborenen dann zu beschleunigen – und zwar erheblich. Wenn man das Gewicht berücksichtigt, verbrennt ein 1-jähriges Kind etwa 50 % mehr Kalorien als ein Erwachsener. Tatsächlich erreicht der menschliche Stoffwechsel im Kleinkindalter seinen Höhepunkt und nicht in den Teenagerjahren oder im frühen Erwachsenenalter, wie bisher angenommen. Nach der anfänglichen Beschleunigung sinkt die Stoffwechselrate jedes Jahr um etwa 3 Prozent, bis sie im Alter von 20 Jahren. Von da an bleibt der Stoffwechsel bis zum (durchschnittlichen) Alter von 60 Jahren konstant und sinkt dann auf unbestimmte Zeit um 0,7 Prozent pro Jahr. Laut der Forscher bedeute dies nicht, dass die gefürchtete Gewichtszunahme im mittleren Alter nur Einbildung wäre. So zeigten Untersuchungen in den USA, dass ein durchschnittlicher Erwachsener vom frühen bis zum mittleren Erwachsenenalter ein bis zwei 0,5-1,0 kg pro Jahr zunimmt. Das bedeutet, dass es neben dem Stoffwechsel noch andere Faktoren gibt, die dazu beitragen. Das individuelle Stresslevel, der Hormonspiegel und das Energielevel sind in Vierzigern und Fünfzigern anders als in den Zwanzigern.

Die Studienergebnisse zeigten außerdem, dass Stoffwechsel und Gewicht nicht immer so eng miteinander verbunden sind, wie man vielleicht denkt. Es geht nicht darum, wie viele Kalorien man verbrennt, sondern darum, ob man mehr verbrennt, als man zu sich nimmt. So ginge eine hohe Stoffwechselleistung nicht zwangsläufig mit einem guten Gewichtsmanagement einher, da es auch immer darauf ankommt, was und in welcher Menge man zu sich nimmt.

Diese neuen Erkenntnisse über den Stoffwechsel geben nicht nur wertvolle Implikationen für ein gesundes Gewichtsmanagement. So könnten sie sich beispielsweise auf die Dosierung von Medikamenten auswirken, da sie sich auf die Geschwindigkeit beziehen, mit der der Körper Medikamente abbaut. Auch die Art und Weise, wie bestimmte Erkrankungen wie Krebs behandelt werden könnte dadurch beeinflusst werden, da Tumorzellen, während sie wachsen und sich teilen, Energie verstoffwechseln. Krebs kann also bei jüngeren Menschen mit schnellerem Stoffwechsel anders verlaufen als bei älteren Menschen mit eher langsamerem Stoffwechsel.

Die Studie wirft auch ein neues Licht auf den Alterungsprozess, insbesondere darauf, wie sich die Zellaktivität mit zunehmendem Alter verändert. Demnach gibt es einen altersbedingten Rückgang, der sich durch alle Körpersysteme zieht. Die Forschungsergebnisse zeigen, wie diese Veränderungen auf der Stoffwechselebene ablaufen.

Wenn die Wissenschaft ein besseres Verständnis dafür entwickeln könnte, was genau sich mit zunehmendem Alter in den Zellen verändert, könnte dies neue Erkenntnisse darüber liefern, wie die Krankheitsanfälligkeit älterer Menschen verringert werden kann. Um das 60. Lebensjahr herum ist das Auftreten und das erhöhte Risiko für altersbedingte Krankheiten wie Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder neurodegenerative Erkrankungen zu beobachten.


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